Allgemeine Zeitung Mainz vom 01.02.2017
Von Lukas MüllerMAINZ – Vor dem bunten Haus hängt ein knallorangenes Sonnensengel, das die Tristesse der grauen Straße und des grauen Himmels abhält. Das Haus liegt am Ende der Straße, hier kommt niemand hin, der nicht muss oder unbedingt will: Krebskranke Kinder leben hier gemeinsam mit ihren Angehörigen und Helfern. Der Förderverein für Tumor- und Leukämiekranke Kinder Mainz hat einen Einblick gewährt.
„Das Haus ist ein Zufluchtsort“, erzählt Diplom-Pädagoge Kai Leimig, der den Förderverein leitet. Eltern, deren Kinder im benachbarten Universitätsklinikum behandelt werden, können in dem Gebäude übernachten; auch ganze Familien finden in dem Haus in der Lindenschmitstraße 53 ein Zuhause. „Im Krankenhaus schlafen die Eltern auf Klappbetten“, berichtet der 40-Jährige, „die Türen gehen auf und zu, da kommt man kaum zur Ruhe.“ Dem Stress des Krankenhauses können sie im „Elternhaus“ entkommen, das sechs Zimmer zählt.
Einen Großteil der Arbeitstage verbringt Leimig dennoch woanders: auf der Krebsstation mit den Betroffenen. Dass ihn die Arbeit emotional beschäftigt, bestätigt Leimig: „Den Beruf darf man nicht nach Hause nehmen, sonst macht man das nicht lange.“ Doch für Trauer ist nicht immer Platz. „Es ist schon etwas Besonderes, Kinder zu erleben, die trotz ihrer Erkrankung so viel Lebensfreude haben,“
Bei seiner Tätigkeit auf der Station wird er von mehreren Vereinsmitgliedern unterstützt. Eine Kunsttherapeutin beispielsweise bastelt mit den Kindern an Puppen herum. Die Kinder „operieren“ die Stoffpuppen, sprich, schneiden diese auf oder setzen ihnen Masken auf. „Die Puppen dienen zur Bestrahlungsaufklärung. „Das soll den Kindern die Ängste nehmen“, erläutert Leimig.
Die Probleme, die eine Krebserkrankung mit sich bringt, sind vielseitig: Pädagoge Leimig erzählt, dass Eltern krebskranker Kinder häufig mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert werden. „Wenn ein Kind an Krebs erkrankt, hört meistens ein Elternteil auf zu arbeiten“, berichtet er. Aus diesem Grund unterhält der Verein einen Sozialfonds, aus dem Bedürftige Geld beantragen können. Geld kann der Verein immer gebrauchen: Die Rechnungen werden komplett aus Spendengeldern bezahlt. Für die Spendenakquise ist Andrea Grimme (50) zuständig. Sie ist Pressesprecherin des Fördervereins. Sieben Jahre lang hat sie sich ehrenamtlich für den Verein engagiert, seit Juni arbeitet sie dort hauptberuflich. „Die Arbeit geht schon wirklich ans Herz“, betont sie. Der Kontakt zu dem Förderverein ist über den Fanklub „Liebe Leben Leidenschaft“ des Bundesligisten Mainz 05, zustande gekommen.
In der Regel werden auf der Mainzer Krebsstation jährlich rund 60 Kinder aufgenommen; dieses Jahr sind es über 100. „Das liegt daran, dass das Uniklinikum ein Krebszentrum ist, seitdem kommen die Menschen auch von weiter weg“, erzählt Leimig. Gerade Familien, die größere Entfernungen zurücklegen müssen, sind auf die Übernachtungsmöglichkeit angewiesen.
Für die Kinder und Eltern ist das farbenfroh eingerichtete Haus ein Zuhause und eine Ablenkung vom hektischen Krankenhausalltag. Trist soll es nicht zugehen, dafür sorgt nicht nur das orangene Sonnensegel, sondern auch die Arbeit von Leimig und seinen Kollegen.