„Die Mutperlenfrau ist da, Mama“ flüstert Phineas, als ich das Zimmer betrat. „Die Frau heißt Lynnette“ flüstert die Mutter verlegen ihrem Sohn zu. „Darf ich ihr sagen, dass ich heute einen Rückenpiks hatte und ob ich heute meine Mutperlen bekomme?“ fährt er aufgeregt fort.
Der fünfjährige Phineas ist eines von vielen Kindern, die wegen einer Krebserkrankung auf der Mainzer Kinderonkologie behandelt werden. Die Behandlung ist langwierig und sehr belastend. Die Rückenmarkspunktion, die Phineas spielerisch „Rückenpiks“ nennt, ist ein schmerzhaftes medizinisches Verfahren, bei der eine spezielle Punktionsnadel verwendet wird, um eine kleine Menge Hirnflüssigkeit im Bereich der Lendenwirbel zu entnehmen und zu untersuchen. Vielen Eingriffen und Behandlungsprozeduren müssen sich betroffene Kinder und Jugendliche während der Krebsbehandlung unterziehen.
Um unsere PatientInnen in dieser schweren Zeit zu unterstützen, haben wir viele Projekte und Angebote ins Leben gerufen, unter anderem im Jahre 2013 die Mutperlen. Die Mutperlen -auch “Beads of Bravery“ genannt- stammen ursprünglich aus Kanada und wurden von der Deutschen Kinderkrebsstiftung nach Deutschland geholt.
Jedes Kind, von zwei bis achtzehn Jahren, das wegen einer Krebserkrankung in der Mainzer Kinderonkologie behandelt wird, bekommt eine Mutperlenkette. Diese besteht aus einer Sammlung verschiedenfarbiger Symbole aus Polymerton, die jeweils einen behandlungsrelevanten Eingriff oder Erlebnis darstellen. Jede Rückemarkspunktion, jede Blutentnahme, jeder schlechte Tag, jeder gute Tag, jede Untersuchung -um nur einige zu nennen- ist ein prägender Meilenstein auf dieser einzigartigen Behandlungsreise, die jeweils durch eine spezielle bunte Perle dokumentiert wird. Die aneinandergereihten bunten Perlen bilden die Mutperlenkette, die diese einzigartige Geschichte nach außen trägt. Sie würdigt den Mut, die Ausdauer und die Resilienz von großen und kleinen Patienten.
Nicht mit Worten, sondern mit greifbaren und sichtbaren künstlerischen Symbolen geschrieben, gleicht die Mutperlenkette einem Tagebuch, das ausschließlich von dem betroffenen Kind und der unmittelbaren Familie entschlüsselt werden kann.
So bietet sie Phineas einen sicheren Rahmen, in dem gezielt auf die Krankheit eingegangen wird. Mit jeder aufgefädelten Perle wirkt Phineas selbstbewusster. So sehr, dass unsere Gespräche nicht mehr von seiner Mutter begleitet werden.
Dank der 2017 eingeführten Mutperlen-App der Deutschen Kinderkrebsstiftung können Phineas und seine Familie während der Behandlungspausen die Kette digital aktualisieren. So können auch die Geschwisterkinder in diesen Prozess eingebunden sein.
Auch didaktisch wird sie im Rahmen der Wiedereingliederung von Patienten im Kindergarten und in der Schule eingesetzt, um das Bewusstsein für das Thema Krebs zu schärfen.
Dieses großartige Projekt „Mutperlen“ kann nur und dank der Spenden an den Förderverein finanziert werden.